Von Moritz Gröning
Samstag nachmittag. Ein sonniger Sommertag. Hinter dem neu gestalteten Stintzingplatz und der frisch sanierten Kirchhofsmauer erhebt sich in sanftem Beige die Dorfkirche Groß Glienicke. Ein paar Schritte den Weg hoch betrete ich die Kirche, wo ich Burkhard Radtke treffe, der hier jeden Stein kennt wie kein anderer. Licht durchflutet die Kirche, vom farbigen Fensterglas leicht getönt. Farben erstrahlen in der ganzen Kirche.
Ein Ort voller Leben und Ruhe, Geschichte und Zukunft, ein Ort der Gemeinschaft, gibt die Kirche dem Dorf seit Jahrhunderten Identität und Seele. Hinter den teils über 750 Jahre alten Mauern verbergen sich Zerstörung, Wiederaufbau und lebendige Gemeindearbeit. Eine Einladung, auf Spurensuche zu gehen und manche Überraschung zu erfahren.
In den letzten 20 Jahren haben wir als Kirchengemeinde Kirche, Friedhof und Nebengebäude fast vollständig sanieren können und „fit“ für die Zukunft gemacht. Die wunderbare Innenausstattung kennen viele im Ort schon, von der Kanzel mit ihrer „metallic“-farbenen Fassung über die Ribbeck-Taufe, deren Taube das älteste Stück in der Kirche ist, und deren Fassung dank über 300 Jahre alten Bleistifteinträgen im Inneren datiert werden kann, bis hin zu den Epitaphien und dem Altar, auf dem seit gut 10 Jahren der Christus wieder seine Strahlen hat.
Aber vieles kennen auch Menschen im Ort nicht. In den letzten Jahren wurden zahlreiche weitere Arbeiten umgesetzt, mit großem Engagement Fenster und Epitaphien restauriert und die Außenfassade überarbeitet.
Und es strahlt nicht nur die Kirche in neuem Glanz: Auch das Kolumbarium – einst Grabstätte der Gutsbesitzerfamilie – und die Feierhalle, die nicht ohne Grund an die Pfingstkirche in Potsdam erinnert, sind liebevoll instand gesetzt. Manches ist eher verborgen: Dass die Feierhalle nutzbar ist, ist ein kleines Wunder. Beinahe hätte das Bauamt die Halle aus statischen Gründen gesperrt – aber die Kellerdecke konnte dann doch mit erheblichem Aufwand wieder gestützt werden. Anderes ist besser zu sehen: Die wunderbaren grünen Dachziegel wurden eigens nach historischem Befund neu hergestellt. Und in der Feierhalle ist nun das Altargemälde „Christus am Kreuz“ – eine Kopie nach Reni – wieder an seinem angestammten Platz zu sehen und gibt dem Raum eine besondere Atmosphäre. Die Feierhalle kann für kleinere Feiern und kirchliche Veranstaltungen genutzt werden.
Zeitzeugen der Vergangenheit lassen sich überall entdecken: Einschusslöcher an der Fassade vor allem am Kolumbariums zeugen von den dramatischen Ereignissen des Zweiten Weltkriegs, die Groß Glienicke Ende April 1945 heimsuchten. Sie wurden bewusst erhalten. Sie machen Geschichte sichtbar und laden ein, auch an die schlimmen Zeiten und ihre Gründe zu erinnern.
Auch die Kirche erzählt Kriegs- und Nachkriegsgeschichte: Besonders spannend finde ich die Fenster. Schon im April 1944 wurden die alte Fenster der Kirche durch Explosion von Fliegerminen zerstört, die hölzerne Turmeindeckung zerstört. Da die Kirche für Gottesdienste und dann auch fü+r Flüchtlinge gebraucht wurde, wurden die Fenster verbrettert. Auch nach dem Krieg gab es natürlich kaum Glas. Helmut Günther, Bauerngutsbesitzer, hat aber einen Charlottenburger Glaser auftreiben können, der einen größeren Vorrat von „Verandenglas“ hatte, den er aus Berlin ausgelagert hatte. Verandenglas, das sind farbige, in Blei gefasste Glasscheiben, die zur Verglasung von Veranden genutzt wurden. Sie waren nach dem Krieg an sich natürlich nur eine „Notlösung“, aber stehen nun unter Schutz und wurden von Barthold Janko liebevoll restauriert. Sie erinnern mich an die Ginflaschen in der Zwölfapostelkirche in Schönberg, die eine ähnlich abenteuerliche Geschichte haben.
Manche Neuerung nach dem Krieg bleibt: Vor dem Krieg gab es zwei Reihen durch die Kirchenbänke. Um Konfirmanden und Brautleuten einen schöneren Einzug zu ermöglichen, hat Pfarrer Stintzing die Bänke neu anordnen lassen, so dass es jetzt einen Mittelgang gibt. Man sieht das noch an den Bankreihen. Die Nutzung der Kirche hat sich eben geändert.
Und ja, nicht nur die Ribbecks waren als Patrone aktiv. Dass die alte Patronatsloge „auf der Erde“ steht, ist nicht dem Umstand geschuldet, dass es seit 1929 kein Patronat mehr gab, wie mir Herr Radtke erklärt. Der letzte Patron Otto Wollank (damals noch ohne „von“) hat die Loge 1890 „heruntergeholt“, weil er es unpassend fand, über der Gemeinde zu thronen. Aus der Zeit um 1929 stammte die graue Bemalung, die viele noch kennen: Sie war finanziert aus Schadensersatz, den Wollank der Gemeinde für Beschädigung des Kirchenwalds zahlen musste, aber das ist eine andere Geschichte.
Auch außen hat sich die Gestalt der Kirche verändert: Viele Groß Glienicker kennen noch den Rauhputz, der zum Schutz des Gebäudes in mühevoller Feierabendarbeit Anfang der 1980er Jahre aufgebracht wurde, zu DDR-Zeiten ein echter Kraftakt, der nur dank der Hilfe aus dem Dorf möglich war. Ihn abzunehmen, war daher zurecht hoch umstritten. Letztlich war es aber wichtig, da der Betonputz die alten Klinker angriff, die aussahen wie ein „Schweizer Käse“. Roland Schulze, Spezialist für Bauen an und in Denkmälern, hat mit großem Fingerspitzengefühl und zunächst an Beispielen gezeigt, wie die Fassung werden soll: So zeigt sich die Kirche harmonisch in der Fassung, die ihr Hans-Georg von Ribbeck gegeben hat, und zeigt zudem viele Spuren aus dem Mittelalter. Ein echtes Juwel mitten im Dorf!
Dass Kirche und Ensemble heute so da stehen, ist ein Gemeinschaftswerk. Besonderer Dank gebührt Burkhard Radtke, der die Arbeiten über lange Jahre unermüdlich koordiniert und vorangetrieben hat. Der Erfolg wäre aber unmöglich gewesen ohne großzügige Unterstützung vieler Menschen von nah und fern und des Fördervereins, der seit 20 Jahren die Arbeiten unterstützt. Wer alte Häuser kennt, weiß, dass die Arbeit nie zu Ende ist und so lädt auch der Förderverein herzlich ein, Mitglied zu werden und so langfristig unsere lebendige Dorfkirche zu unterstützen!
Die Dorfkirche Groß Glienicke ist aber nicht nur Denkmal. Sie ist lebendiger Ort im Dorf. Jeden Sonntag feiern wir Gottesdienst, wo andere Kirchen geschlossen bleiben. Zahlreiche Konzerte erfüllen die Kirche mit Klang. Und auch die Filmabende in der Kirche sind mittlerweile gute Tradition. Ob Sie Besucher sind, Architektur lieben, einfach innehalten wollen oder das Gemeindeleben erleben möchten: Die Tore unserer Dorfkirche stehen Ihnen offen.
Es gäbe noch so viel zu erzählen, zum Beispiel warum der Altarraum einen Betonboden hat, der Altar aus Stein ist und was das mit Haken in der Wand und einem früheren Oberbaudirektor zu tun hat, wer dem Christus im Kolumbarium in den Kopf geschossen hat … aber die Zeit ist jetzt um.
Es lohnt sich also, wiederzukommen: Bis Ende September und dann wieder ab Ostern 2026 ist die Kirche übrigens jeden Sonnabend von 16-18 Uhr offen – einfach so! Familien und Kinder sind hoch willkommen – es gibt viele Stellen, die nicht nur für Erwachsene spannend sind ...
Und wer künftig helfen will, die Kirche offen zu halten, ist herzlich willkommen. Sprechen Sie uns an!